Kevelaer: Karl Leisner im Portal der Versöhnung an der Basilika St. Marien

Kevelaer Portal der Versöhnung 1

Am 26. Oktober 1997 wurde an der Wallfahrtsbasilika St. Marien[1] in Kevelaer[2] das von dem Künstler Bert Gerresheim[3] geschaffene Portal der Versöhnung feierlich eingeweiht. Nach der Begrüßung durch den Bürgermeister Dr. Friedrich Börgers und dem Geleitwort des Künstlers hielt der Bischof von Clermont, Hippolyte Simon, der dritte Nachfolger des Bischofs Gabriel Piguet[4] im Bistum Clermont, der Karl Leisner zum Priester weihte, eine Ansprache. Anwesend war auch Schwester Maria Imma Mack[5], die das für die Weihe Notwendige heimlich in das KZ Dachau brachte.

[1] 1864 Fertigstellung der neogotischen Kirche, 1884 des viergeschossigen 90 m hohen Westturms – Ausmalung der Kirche durch Friedrich Stummel, 1991 Abschluss der Innenausmalung durch Walter Dorn – eine der farbenprächtigsten Kirchen des Rheinlandes – Patrozinium Mariä Himmelfahrt – seit 1884 Privileg des amtierenden Pfarrers, den apostolischen Segen zu erteilen – 1923 Erhebung zur Basilika minor durch Papst Pius XI. mit dem Titel: Maria, Trösterin der Betrübten – seit 1956 auch Pfarrkirche – Die Basilika steht auf dem Kapellenplatz gegenüber der Wallfahrts- und der Kerzenkapelle.
[2] Gründung des Ortes im 6. Jhdt.; erstmalige urkundliche Erwähnung am 10.5.1300; seit 1642 Marienwallfahrtsort, an dem Maria als Consolatrix afflictorum – Trösterin der Betrübten verehrt wird.
[3] Bert Gerresheim (* 8.10.1935 in Düsseldorf) – Düsseldorf – Bildhauer – Studium an der Kunstakademie in Düsseldorf 19561960 – Studium der Kunstgeschichte, Archäologie u. Germanistik an der Universität in Köln 19601963 – Staatsexamen für das Lehramt an Höheren Schulen 1963 – Deutsch- und Kunstlehrer am Lessing-Gymnasium in Düsseldorf bis 1990
[4] Bischof Gabriel Emmanuel Joseph Piguet von Cler­mont (* 24.2.1887 in Ma­con-sur-Saône/F, † 3.7.1952) – Studium bei den Jesuiten in Villefranche-sur-Saône – Priesterweihe 2.7.1910 in Paris – Bischofsweihe zum Bischof für das Bistum Autun 27.2.1934 – Bischof von Clermont 11.3.1934 – Obwohl Verehrer von Marschall Philippe Pétain, widersetzte er sich während der deutschen Besatzung (1940–1944) den Nationalsozialisten. Am 28.5.1944 (Pfingstfest) wurde er in Clermont-Ferrand nach dem Pontifikalamt im Bischofsgewand von der Gestapo verhaftet und kam über das Gefängnis in Clermont-Ferrand und das KZ Natzweiler-Struthof am 6.9.1944 ins KZ Dachau und dort am 25.9.1944 auf Block 26. Am 17.12. 1944 weihte er den deutschen Diakon Karl Leisner in der Lagerkapelle zum Priester. Am 22.1.1945 kam er in den „Ehrenbunker“ und wurde am 4.5.1945 von den Amerikanern auf der Evakuierungs­fahrt vom 24.4.1945 nach Südtirol in Niederdorf/Villabassa/I befreit. Am 22.6.2001 verlieh ihm Yad Vashem postum den Titel „Gerechter unter den Völ­kern“, da er wäh­rend des Zwei­ten Welt­krieges jüdi­sche Kin­der gerettet hatte.
[5] Schwester Maria Imma (Josefa) Mack (* 10.2.1924 in Möckenlohe, † 21.6.2006 in Mün­chen) – Sie wurde im April 1940 Kandidatin der Armen Schulschwestern im Angerkloster in München und machte eine Ausbildung als Handarbeitslehrerin. Als die Nationalsozialisten die Ausbildung unmöglich machten, kam sie im April 1942 in die Filiale St. Klara in Freising als Helferin im Kinderheim. Nebenbei machte sie im Januar 1943 die Gesellenprüfung als Damenschneiderin. Ihrem Wunsch, ins Noviziat aufgenommen zu werden, konnte wegen der Kriegsverhältnisse erst am 18.8.1945 entsprochen werden, ihre Gelübde legte sie am 29.8.1946 ab. Von Mai 1944 bis April 1945 wurde sie zur großen Helferin für viele Häftlinge im KZ Dachau. In der Plantage des KZ Dachau, wo sie als junge Kandidatin Blumen kaufte, wurde der Priesterhäftling Dr. Ferdinand Schönwälder auf sie aufmerksam. Er hielt sie für vertrauenswürdig, Kurierdienste zu übernehmen, und sie bekam den Decknamen Mädi. Von 1946–1948 war sie als Handarbeitslehrerin in Garmisch tätig und von September 1948 bis zu ihrer Pensionierung im Lehrerinnenseminar in München in der Aue. Sie gab gern, vor allem jungen Menschen, Auskunft über ihre Erfahrungen während der NS-Zeit. Auf Grund ihres Einsatzes für die Häftlinge im KZ Dachau wurde sie am 19.12. 2004 in die französische Ehrenlegion aufgenommen. Am 6.6.2005 erhielt sie das Bundesverdienstkreuz. Im Martyrerprozeß für Karl Leisner hat sie 1990 als Zeugin ausgesagt.

Kevelaer Portal der Versöhnung 2Das doppeltürige Bronzeportal bildet im Brunnenhof der Basilika den Zugang zu der Sakristei und der Verbindung zwischen Basilika und Beichtkapelle.
Auf dem Portal ist die heimliche Priesterweihe Karl Leisners durch den französischen Bischof Gabriel Piguet am 17. Dezember 1944 im KZ Dachau dargestellt.

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Auf der linken Altarseite ist Karl Leisner dargestellt. Er kniet vor einem schlichten Altar. Die gefalteten Hände sind entsprechend dem Weiheritus mit einer Leinenbinde zusammengebunden, auf der Karl Leisners Gefangenennummer 22356, der Tag seiner Priesterweihe „Gaudete 17. Dez. 1944“ und ein Zitat aus seinem Tagebuch vom 16. Juni 1945 eingraviert wurden: „Du armes Europa, zurück zu Deinem Herrn Jesus Christus! Heiland, laß mich ein wenig Dir dabei Instrumentum sein, o ich flehe dich an!“ Am Boden ist neben einem Gebetbuch und Andachtszetteln ein Schriftzug mit dem letzten Tagebucheintrag Karl Leisners vom 25. Juli 1945: „Segne auch, Höchster, meine Feinde!“

 

Kevelaer Portal der Versöhnung 6Oberhalb von Karl Leisner ist Schwester Maria Imma Mack dargestellt. Sie hält einen Kelch in den Händen, umschlungen von Azaleen und einem Band mit der Aufschrift „Warum ich Azaleen liebe“[1]. Der Kelch weist auf die Priesterweihe hin. Azaleen bekam Imma Mack des Öfteren von den Gefangenen in der Plantage als Geschenk. Die Blumen symbolisieren auch die heimlichen Kurierdienste über die Plantage des KZ Dachau. Im Hintergrund ist das KZ Dachau zu sehen mit dem Tor des Eingangsgebäudes und der darin von den Nationalsozialisten verwendeten Parole „Arbeit macht frei“.

[1] Mack, Josefa, Maria Imma: Warum ich Azaleen liebe. Erinnerungen an meine Fahrten zur Plantage des KZ Dachau von Mai 1944 bis April 1945, St. Ottilien 1988

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Der rechte Flügel zeigt Bischof Gabriel Piguet im Messgewand mit Mitra und Bischofsstab, der die Inschrift „Victor in Vinculis – Sieger in Fesseln“[1] trägt. Er streckt seinen Arm aus, um durch seine Handauflegung den Weiheakt zu vollziehen. Im Hintergrund ist seine Amtskirche, die Kathedrale von Clermont-Ferrand, St. Mariä Himmelfahrt, zu sehen.

[1] Karl Leisner gehörte im KZ Dachau der Schönstattgruppe „Victor in Vinculis (Mariae)“ an.

 

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An der Portalleiste hat der Künstler, eingerahmt von Ketten, Handschellen und Stacheldraht, Portraits „zeitgenössischer Bekenner und Blutzeugen“ dargestellt, darunter sind ihre KZ-Häftlingsnummern bis zur Häftlingsnummer „Unbekannt“ eingraviert. Von links nach rechts sind es: Ungenannt, Reinhold Friedrichs, Anton Bornefeld, Wilhelm Holtmann, Heinz Bello, Wilhelm Frede, Nikolaus Groß, August Wessing, Gerhard Storm, Bernhard Hürfeld, Sophie Scholl, Anne Frank, Bernhard Letterhaus, Graf Helmuth J. von Moltke, Josef Lodde, Johannes Maria Verweyen, Josef Kleinsorge, Carl Klinkhammer, Leo Statz, Bernhard Lichtenberg und Rupert Mayer.

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Oberhalb des Portals ist zwischen dem ersten Blutzeugen Stephanus und der ersten Christin Europas, Lydia, in der Gestalt eines Mithäftlings Christus, mit Stacheldraht gekrönt, dargestellt.

Portal der Versöhnung
Über nationale Grenzen hinweg weiht ein französischer Bischof einen deutschen Diakon zum Priester. Bert Gerresheim sagte bei der Einweihung dazu: „Dieses Portalbild spricht vom Schritt über das Trennende hinweg in das Versöhnende – es spricht vom Schritt Karl Leisners in die Nachfolge Christi bis zur versöhnenden letzten Tagebucheintragung des Seligen: „Segne auch, Höchster, meine Feinde“ – es spricht von einem Schritt des inhaftierten Bischofs Piguet auf den Mithäftling zu – im Todeslager des Feindes – und von seinem versöhnenden Geschenk des Sakramentes der Priesterweihe“.[1]

[1]  Siehe auch Rundbrief Nr. 37 des IKLK vom Februar 1998, Seite 79f. und Rundbrief Nr. 38 des IKLK vom August 1998, Seite 66f. am Schluß dieses Artikels

Mit der Stadt Kevelaer wird Karl Leisner besonders die Marienwallfahrt[1] verbunden haben, aber auch den Bezirksjungscharführer Josef Tenhaef[2] sowie seinen Kurskollegen Paul Güllmann[3] oder den älteren Priesterkandidaten Wilhelm Grave[4]. Hans Terporten[5] aus Kevelaer besuchte ihn im KZ Sachsenhausen.

[1] Um die Weihnachtszeit des Jahres 1641 hörte ein schlichter Handelsmann namens Hendrick Busman, als er auf dem Weg von Weeze nach Gel­dern an einer Wegkreuzung nahe bei Kevelaer vor einem Hagelkreuz betete, dreimal den ge­heimnisvollen Ruf: „An dieser Stelle sollst du mir ein Kapellchen bauen!“ Seine Frau sah vor Pfingsten 1642 bei Nacht in strahlendem Licht einen Bildstock und darin ein Marienbildchen. Hendrick Busman war arm, dennoch führte er den Auftrag aus. In den Bildstock stellte man 1642 das heutige Gnadenbild, ein kleines Andachtsbild mit der Abbildung Unserer Lieben Frau von Luxemburg.
LuxemburgEs wurde zunächst in Geldern aufbewahrt und verehrt. Am 1.6.1642 stellte es der Pastor von Kevelaer, Johannes Schink, in das Kapellchen. In einem kirchlichen Protokoll der Synode von Venlo ist vermerkt, noch am selben Tag sei eine große Menge Menschen aus Geldern und anderen Ortschaften zu dem Heiligenhäuschen gekommen, und es seien auch einige Wunder geschehen. In der Zeit der Kriege war die Not der Menschen sehr groß. In dem Geschehen in Kevelaer sahen sie ein Zeichen der Hoffnung. Seitdem verehren die Menschen dort Maria als Consolatrix afflictorum (lat.) = Trösterin der Betrübten.
[2] Josef (Jupp) Tenhaef (* 17.11.1918 in Kevelaer, † nach 1981) – Kevelaer, Hubertusstr. 43 – Bezirksjungscharführer für das Dekanat Kevelaer – 1936 Jungscharführer des Gaues Niederrhein – Er schrieb nette Geschichten in Kevelaerer Mundart. Im Krieg lag er im Lazarett Oskar-Helene-Heim in Berlin-Dahlem. Im Seligsprechungsprozeß für Karl Leisner hat er 1981 als Zeuge ausgesagt.
[3] Paul Güllmann (* 19.6.1914 in Kevelaer, † 30.5.1978) – Abitur am Collegium Augustinianum Gaesdonck – Engagement in der Jugendarbeit in Kevelaer – Eintritt ins Collegium Borro­maeum in Münster 1.5.1934 – Priesterweihe 23.9.1939 in Münster
[4] Wilhelm (Willi) Grave (* 2.8.1912 in Kevelaer, † 28.5.1997) – Schüler des Collegium Augustinianum Gaesdonck – Eintritt ins Collegium Borromaeum in Münster 1.5.1932 – Priesterweihe 18.12.1937 in Münster
[5] Hans Terporten (* 24.5.1912, † 6.8.2001) – Kevelaer – Er besuchte als Frontsoldat Karl Leisner im KZ Sachsenhausen, anschließend berichtete er Familie Wilhelm Leisner über ihren Sohn.

Der tiefen Christusfrömmigkeit Karl Leisners stand seine innige Marienfrömmigkeit nicht entgegen, sie begleitete ihn sein ganzes Leben. Schon als siebenjähriger Junge machte er mit seinen Eltern seine erste Wallfahrt in das 26 km von Kleve entfernte Kevelaer. Mit dreizehn Jahren schildert er den Ablauf einer Familienwallfahrt dorthin.

Kevelaer Kerzenkapelle 1Kevelaer Kerzenkapelle 2

Kevelaer Gnadenkapelle 2

Kleve, Freitag, 7. September 1928
Mit Mama, Willi, Ferdinand [Falkenstein] und Maria machte ich heute eine Wallfahrt nach Kevelaer. Wir fuhren um 6.45 Uhr mit dem Zug dorthin. Wir beichteten in der Beichtkapelle. Um 9.00 Uhr hörten wir eine Messe, in der wir kommunizierten. Nach der Messe tranken wir im „König von Spanien“ Kaffee und aßen dabei die mitgebrachten Butterbrote. Nachher kauften wir Rosenkränze und Kerzen. Diese ließen wir in der Kerzenkapelle[1] weihen. Die Kerzen opferten wir in der Gnadenkapelle und besuchten dort die Muttergottes. Mittags gingen wir ins Klösterchen der Schwestern der ewigen Anbetung [Klarissenkloster in der Nähe des Kreuzweges] und beteten den Kreuzweg. Dann gingen wir bis hinter Weeze zu Fuß (teilweise beteten wir den Rosenkranz). Auf dem Weg trafen wir einen Wagen, der uns bis Goch mitnahm.

[1] Die Kerzenkapelle ist die älteste Wallfahrtskirche in Kevelaer und wurde während des 30jährigen Krieges erbaut. Es ist ein Ort der Vergegenwärtigung der Geschichte der Kevelaer-Wallfahrt durch Kerzen u. Wappenschilder. Die größte Kerze in der Mitte des Raumes erinnert an den Anfang der Prozessionen, den 1643 die Stadt Rees machte.

Zu Beginn einer Reise suchte Karl Leisner häufig die Gottesmutter in Kevelaer auf.

Kleve, Freitag, 12. August 1932
(Tag der Vorbereitung auf die große Schweizerfahrt und Start dazu!)
Nach recht gutem Kaffee gondelten wir zwei [Willi und Karl] denn nach dem Abschied von allen um 17.30 Uhr weiter nach Kevelaer, wo wir die Muttergottes besuchten und um gute Fahrt baten.

Kleve, Mittwoch, 7. Juni 1933
6.15 Uhr Fahrt nach Kevelaer. Zu 13 Mann mit der [Katholischer Wandervogel-] Gruppe [St. Georg]! Gegen 16.00 Uhr zurück!

Kleve, Mittwoch, 23. Mai 1934
NB Heute morgen lief die Kevelaerer Jungschar ein unter Paul Güllmann.

Kleve, Donnerstag, 24. Mai 1934
Abends Gruppenabend im Heim [Mühle]. Jungschar Kevelaer munter da.

Münster, Samstag, 30. November 1935
Heute ist der letzte Tag des Kirchenjahres. […]
Wir alle sind noch auf der Pilgerschaft, auf dem Weg – Wallfahrer war ich oft: zu unserer Lieben Frau und ihren Stätten der Gnade. In Kevelaer, Marienbaum, Altlünen, Telgte, Vreden, Blieskastel (Saar), Altenberg hab’ ich vor Ihrem heiligen Bilde gekniet und hab’ zu Ihr, der himmlischen Mutter gefleht und gesungen, gebetet und aufgeschaut und immer wieder hat sie mir neue Liebe, neue Kraft und neue Freude durch Christus geschenkt.

Goch, Sonntag, 29. Dezember 1935, Weihnachtssonntag
In Kevelaer im Kapellchen bei der Gnadenstätte der lieben Gottesmutter gebetet besonders für unsre Sippe, unsre Jungschar und um gutes Bereiten auf das heilige Priestertum. Ich bete den Freudenreichen Rosenkranz.

Karl Leisner aus Kleve am 19. Oktober 1936 an Heinrich Roth in Münster:
Zudem ließ sich das Gautreffen der niederrheinischen Jungscharführer in Kevelaer nicht mehr rückgängig machen. – Vor drei Wochen war ich in Düsseldorf, um von P. Ho. [Heinrich Horstmann SJ] Abschied zu nehmen, vor allem aber, um mit P. Eucharius [Zenzen OSB] die Jungschararbeit für die Zukunft in unserer Diözese zu besprechen. Dabei kamen wir nach langem Hin und Her überein, daß wir die große Diözese auflockern müßten, um zu einer fruchtbaren Arbeit zu gelangen. Deshalb hatten wir zu gestern früh auch die Bezirksjungscharführer nach Kevelaer geholt, um uns darüber klar zu werden.
Folgendes ist dabei „herausgekommen“: Für den Niederrhein soll Josef Tenhaef aus Kevelaer sich der Jungschar besonders widmen.

Nach Ableistung seiner Zeit im Reichsarbeitsdienst und Exerzitien im Collegium Borromaeum in Münster kehrt Karl Leisner nach Kleve zurück. Am nächsten Morgen beschlagnahmt die Gestapo seine und die Tagebücher seines Bruders Willi. Karl Leisner fährt anschließend nach Kevelaer und trifft dort die Entscheidung, Priester zu werden.

Münster, Donnerstag, 28. Oktober 1937
Wieder daheim bei der Mutter! Hah. Und wie sollte es werden! Herrliche, ganz stille Tage restloser Ausspannung gedachte ich zu erleben. Anderentags wollte ich zum Gnadenort [Kevelaer] der lieben Muttergottes am Niederrhein wallfah­rten.

Kleve, Freitag, 29. Oktober 1937
Und da kam am Freitag, 29. Oktober morgens 7.15 Uhr, Besuch von der Gestapo. Um 6.30 Uhr war ich in Christkönig [der Christus-König-Kirche] in der heiligen Messe gewesen – Kaffee hatte ich noch keinen getrunken. Bis 10.30 Uhr dauerte der Besuch. Gegen Quittung nahmen die beiden Herren [Gestapobeamten aus Düsseldorf] mir Willis und meine Tagebücher von 1928 bis 1935 mit. […]
Nach Kevelaer zur Mutter[2] fuhr ich dann über Goch. Um 16.00 Uhr war ich glücklich da. […]
Von 16.00 bis 17.10 Uhr eine heilige Stunde des Erschlagenseins, des Verzichtes, des letzten verklärten Glühens, des Daheimseins bei der Mutter! Und – das Große: letzte Weihe zu heiliger Reinheit der Seele und des Leibes vor ihrem Bild.
O – Con­solatrix afflictorum – Ora pro nobis! [Trösterin der Betrübten – Bitte für uns!] Letzte Hingabe – letztes tiefstes Vertrauen. – Servus Mariae nun­quam peribit. Mater habebit curam! [Ein Diener Ma­riens geht nie zu Grunde. Die Mutter wird sorgen. …]
Zwei Opferkerzen brennen groß und leuchtend. Fiat Voluntas Tua! [Dein Wille geschehe! (Mt 6,10)] – das sag Deinem Sohn, liebste Mutter. – Und das mög Er mir schenken, dies unbedingte Jasagen zu Gottes Willen! […]
Ja, ich schreibe es nochmals und unterschreibe es! Treue jetzt! Wenn ich’s vielleicht auch nicht restlos ver­stehe. Letzte Entschlossenheit!

[2] Karl Leisner nannte die Gottesmutter Maria oft einfach Mutter.

Münster, Samstag, 6. November 1937
Letzte Freiheit im Sinne des Versprechens am 29.10.[1937] in Kevelaer.

Münster, Donnerstag, 2. Dezember 1937
Ein neuer Mond [Monat] ist angebrochen. Der Christmond! Denke dran!
Nachmittags mit Diakon Willi Grave – Kevelaer spazieren. Primizgedanken!

Karl Leisner aus Münster am 17. Dezember 1937 an Wilhelm Grave ins Priesterseminar in Münster:
Grüß Gott, lieber Willi!
Du, Ihr dürft schon das heilige Sakrament empfangen, habt es schon empfangen, wenn Du diesen Gruß liest, nach dem wir uns noch ausstrecken mit der Sehnsucht junger Herzen. Was muß das doch ein Tag sein!
Von Herzen wünsch’ ich Dir Gottes überreichen Segen und für Dein zukünftiges Wirken als Gesalbter des Herrn Seine Kraft!
[…]
Ob ich an Deiner Heimatprimiz in Kevelaer sein kann, weiß ich noch nicht.
Von Herzen meinen Glückwunsch zu Deinem Festtag!
Mit frohem Weihnachtsgruß
Dein Karl Leisner

Münster, Donnerstag, 27. Januar 1938
Was hat mich die liebe Gottesmutter doch in den Jahren zum Priestertum geführt. Telgte, Kevelaer, Marienbaum, Schönstatt – o wenn ich an diese Gnadenstunden, die großen und kleinen denke. Dank Dir, liebe himmlische Mutter! – Da mihi virtutem contra hostes tuos! [Gib mir Stärke gegen deine Feinde!] Allezeit vertrauen, Mut, Hoffnung auf die Gnade Gottes hin haben!

Kleve, Donnerstag, 17. März 1938
Am 17.3. nach Tisch geh’ ich zu Vater aufs Chaiselongue. Donnerstag ist’s. – Mich zieht’s mit Urgewalt nach Freiburg/Br. […] In rascher Entschlossenheit steh’ ich 16.15 Uhr an der Lindenallee. Dort Wagen bis Krefeld. In Goch treff’ ich guten Bekannten und geh’ mit ihm per pedes nach Kevelaer. – Dort zu Jupp [Tenhaef].

Fronturlauber durften gelegentlich mal KZ-Inhaftierte besuchen. Karl Leisner berichtet in seinen Briefen nur einmal davon.

Karl Leisner aus dem KZ Sachsenhausen am 22. September 1940 an seine Familie in Kleve:
Hans’ [Terporten] Frontbesuch wird Euch allen besondere Freude gemacht haben. Grüßt ihn auch von mir herzlich.

Karl Leisner aus dem KZ Dachau am 10. August 1941 an seine Familie in Kleve:
Ihr wart in Kevelaer. Im Geiste wallfahre ich öfter hin, es wird auch wieder zu Fuß sein.

Karl Leisner aus dem KZ Dachau am 6. März 1942 an seine Familie in Kleve:
Am 25.3. bin ich drei Jahre Diakon. Würdet Ihr bitte in Kevelaer drei Kerzen anzünden: Die 1. als Dank fürs Amt, die 2. für den bisherigen Schutz, die 3. mit der Bitte um baldige Freiheit und Priestertum.

Karl Leisner aus dem KZ Dachau am 10. Juni 1944 an seine Familie in Kleve:
Am 24.[6., dem Fest des hl. Johannes des Täufers] denke ich auch an Hans [Terporten] aus Kevelaer.

Karl Leisner aus dem KZ Dachau am 5. November 1944 und an seine Familie in Berlin und Niedermörmter:
Euer trotz allem so froher und gelassener Brief vom 12.10. aus Niedermörmter erreichte mich eben. Ich habe mit Euch getrauert über das furchtbare Ende unserer Heimatstadt und den Tod so vieler Mitbürger [beim Luftangriff auf Kleve am 7.10.].[…]. Im Himmel haben wir jetzt viele neue Fürsprecher, und das wird uns mithelfen, mit Gottes Gnade diese schwere Zeit durchzustehen. Die liebe Muttergottes von Kevelaer wird uns Niederrheiner auch nicht verlassen.

Die Beiträge zu den verschiedenen Erinnerungsstätten Karl Leisners in Kevelaer werden nach und nach auf der Homepage des IKLK veröffentlicht.

Text und Fotos Christa Bockholt und IKLK-Archiv

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Portal der Versöhnung in Kevelaer[1]

[1] In: Rundbrief des IKLK Nr. 37 – Februar 1998: 79f.

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Meditative Gedanken zum „Portal der Versöhnung“ in Kevelaer und Porträts im „Portal der Versöhnung[1]

[1] In: Rundbrief des IKLK Nr. 38 – August 1998: 66–75

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Das Foto vom Portal der Versöhnung entlang der Wege der Jakobspilger auf dem Weg durch Europa

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