Simmern/Westerwald: Karl-Leisner-Plastik im Priesterhaus auf Berg Moriah

PlastikDie Seligsprechung Karl Leisners am 23. Juni 1996 war die Voraussetzung für eine Darstellung des Seliggesprochenen im Kapellchen, dem Heiligtum der Schönstattpriester[1], auf dem Berg Moriah. Die Bronzeplastik ist eine Stiftung des Uniti-Patri-Kurses.

[1] Zur Apostolischen Bewegung von Schönstatt gehören vier Priestergemeinschaften. Drei Gemeinschaften von Diözesanpriestern: Schönstatt-Priesterliga, Schön­statt-Priester­bund und Verband der Schönstattpriester (Schönstattpriester-Verband). Die vierte Gemein­schaft bilden die Schönstatt­patres. Die Schönstattpriester der Gründungszeit formierten sich in Generationen. Nach der Gründergeneration formierte sich 1929 die Coenaculums­gene­ra­tion, 1952 die Mi­chaelsgeneration und 1955 die PPC-Generation (pro patria consumor – ich verzehre mich für die Heimat), vor 1964 Uniti Patri-Generation.

Von der Planung bis zur Segnung der Karl-Leisner-Plastik
Bei einem Treffen des Uniti-Patri-Kurses im Oktober 1996 beschließt dieser, den Münchener Bildhauer Johannes Potzler[1] für die Fertigung eines Entwurfs der Plastik zu beauftragen. Der Künstler fertigt ein erstes Wachsmodell und nach Berücksichtigung einiger Änderungswünsche von Vertretern der Generalleitung und des Uniti-Patri-Kurses das endgültige Modell. Die von dem Entwurf begeisterten Mitbrüder aus den Regionen Freiburg und Rottenburg-Stuttgart wünschen ebenfalls eine Bronzeplastik.

[1] Bildhauer Johannes Raphael Potzler, geb. 1957 in München, Akademie der Bildenden Künste, Studium der Kunstgeschichte, Ausstellungen u. a. in München, Fulda, Regensburg, Bamberg; u. a. Bronzearbeiten (z. B. Plastiken, Kreuze, Kreuzwege, Heiligenfiguren)

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Der Künstler bei der Arbeit am Wachsmodell und das Wachsmodell im Schönstatt-Kapellchen in Stuttgart-Freiberg

Am 9. Dezember 1996 stellt Johannes Potzler in Stuttgart-Freiberg bei einem Kurstreffen mit Dr. Peter Wolf den geänderten Entwurf vor. Der Künstler wird mit der Fertigung von vier Plastiken beauftragt, neben dem Moriah-Heiligtum sind die weiteren für das jeweilige Heiligtum in Freiburg, Stuttgart und Rom vorgesehen. Die Rechte sollen bei dem Schönstatt-Priesterverband auf Moriah sein.
Die Gießerei Werner Braun in Oberschleißheim fertigt am 4. März 1997 den ersten Guß der Plastik. Am nächsten Tag wird diese vom Atelier des Künstlers nach Dachau gebracht und durch das KZ-Gelände getragen. Von dort geht es nach Stuttgart-Freiberg, Pfarrkirche St. Laurentius. Am 8. März werden Fotos für ein Andachtsbildchen gefertigt, das im Mai 1997 in einer Auflage von 10.000 Stück erscheint. Drei Tage später meditiert die Freiberger Verbandsgruppe in ihrem Heiligtum vor der Plastik über die Christusliebe Karl Leisners. Die nächste Station ist Marienfried in Oberkirch. Dr. Peter Wolf referiert auf dem „Tag der Männer“ zum Thema: „Christus mein Leben – mit Karl Leisner im Christusjahr“. Er nimmt die Plastik mit zum Regiotreffen nach Freiburg. Am 19. März erläutert er in der neuen Aula des Schönstatt-Zentrums Liebfrauenhöhe in Ergenzingen die Darstellung. Dort steht die Plastik während des Regiotreffens Rottenburg-Stuttgart auf dem Altar. Am 25. März – Verkündigung des Herrn – wird die Bronzeplastik zum Schönstattzentrum in Simmern, auf den Berg Moriah gebracht und auf den Dachau-Altar[1] gestellt.[2]

[1] Es handelt sich um den Altar, den die Häftlinge am 22.1.1941 im KZ Dachau in der Lagerkapelle in Block 26 aufstellten. Es war ein einfacher Tisch, der im Laufe der Jahre immer mehr ausgeschmückt wurde.
[2] Das Foto machte Karl Leisners Bruder Willi am 4. Mai 1997.

MoriaH_KapDort wird sie am 9. April gesegnet und anschließend im Moriah-Heiligtum an der rechten Stirnseite des Chorbogens angebracht. Die Feier schließt mit einer neuen Präfation zum Karl-Leisner-Messformular und dem Beten der Litanei, die auf dem neuen Gebetszettel abgedruckt sind.

Moriah_Haus

Beschreibung und Deutung der Bronzeplastik
Auf der Plastik ist unverkennbar der Oberkörper Karl Leisners abgebildet, mit der Aufschrift „VICTOR IN VINCULIS“, dem Geburtsjahr 1915, dem Sterbejahr 1945 und den Attributen Stacheldraht, Gitarre, der Eucharistie und einem leeren Blatt mit der Unterschrift Karl Leisners, symbolisch für die Blankovollmacht[1].

[1] Mit einer Blankovollmacht geschieht gemäß der Schönstatt-Spiritualität eine vertiefte Hin­gabe an die Gottesmutter Maria im Liebesbündnis. P. Joseph Kentenich SAC hat die­sen der Wirtschafts­sprache entlehnten Begriff nach eigener Aussage einem Artikel von P. Peter Lippert SJ entnommen und kreativ ange­wandt. P. Peter Lippert SJ verwendete diesen Be­griff, um das FIAT – mir geschehe – der Gottesmutter zu deuten. Im Bild gesprochen geht es um das vertrauensvolle Ausstellen eines Blankoschecks. P. Joseph Kentenich SAC ver­wandte den Begriff ca. ab Februar 1939 bei den Marienschwestern, bevor er im Okto­ber 1939 öffentlich wurde.

Victor in vinculis (Mariae) – Sieger in Fesseln (Mariä)
Die Schönstattgruppe im KZ Dachau unter Führung von Heinz Dresbach und später Her­mann Ri­charz, zu der auch Karl Leisner gehörte, begann in der Fastenzeit 1944 mit der Su­che nach ihrem Gruppenideal und entschied sich für den Vorschlag von Robert Prusz­kowski „Victor in vinculis (Ma­riae)“. Die Idealsuche war stark inspiriert von der Spiri­tua­lität der Marianischen Werkzeug­fröm­migkeit, über die P. Joseph Kentenich SAC im Früh­jahr 1944 eine Studie diktierte. Es geht um die Bindung an Maria im Sinne des Werkzeu­ges, der Vernetzung. Maria steht als Symbol für den Dreifaltigen Gott.
P. Makarius Spitzig OSB schnitzte im KZ Dachau ei­nen Bi­schofsstab mit dem Wappen von Bischof Gabriel Piguet und der In­schrift Victor in Vinculis.

Der Stacheldraht symbolisiert die fünfeinhalbjährige Gefangenschaft Karl Leisners und sein Leiden aufgrund der Lungentuberkulose, an deren Folgen er am 12. August 1945 starb.

Die Gitarre auf der Plastik mag verwundern, weist jedoch auf die frohe Natur und das positive Denken und Handeln Karl Leisners hin. Nicht nur die Jugend begeisterte er mit seiner Gitarre, sondern auch seine Mithäftlinge im KZ Dachau. Am 9. März 1941 wünschte er die Zusendung seiner Gitarre in das KZ. Er bestätigt später die Ankunft der Gitarre und daß sie ihm und den Kameraden Freude bereitet. Am 18.10.1941 schreibt er seiner Familie: Heut’ abend klamp­fen und singen wir. Heiho!

Zur Hostie schreibt Georg Egle[1] in der Dezember-Ausgabe 1997 der Schönstätter Monats-Zeitschrift „basis“: „Unübersehbar auf dem Relief ist eine Hostie, die Karl Leisner in seiner Rechten hält. Sie spricht von seiner Christusliebe, seiner jugendlichen Leidenschaft und priesterlichen Hingabe an Jesus Christus. Als Diakon hat Karl unter Lebensgefahr kranken Häftlingen die heilige Kommunion gereicht. Er ist der einzige Häftling, der in einem Konzentrationslager der Nationalsozialisten zum Priester geweiht wurde. Dort feierte er seine erste und einzige Heilige Messe.“

[1] Georg Egle ist Leiter der Schönstatt-Bewegung in der Diözese Rottenburg-Stuttgart.

Zum Blankoscheck schreibt Egle: „Links unten im Bild ist ein Blatt mit der Unterschrift von Karl Leisner zu sehen. Mit den Mitgliedern seiner Münsteraner Theologengruppe hatte Karl im Jahr 1939 der Gottesmutter Maria die freie Verfügung über sein Leben angeboten. In dieser Haltung hat er in Gefängnis und Konzentrationslager gelebt.“
Vermutlich sprachen die Schönstätter unter den Diakonen, zu denen Karl Leisner gehörte, am 25. März 1939 nach der Diakonenweihe folgendes Weihegebet:
Liebe dreimal wunderbare Mutter von Schönstatt! Der Kurs Münster 1939 dankt Dir seine Berufung zum Priestertum und zum Bund. In Dankbarkeit geben wir Dir Gewalt und Vollmacht über uns; tue mit uns, was Du willst und wie Du es willst. Sende uns vom Altar in den Alltag und laß uns leben nach dem Gesetz: Sacerdotem oportet offerre.[1]

[1] Im Nachlaß von Heinrich Tenhumberg findet sich dieses kurze Weihegebet, das die Gruppe vermutlich im Sinne der Blankovollmacht ver­standen hat. In der An­rufung der Gottesmutter fehlt noch „und Königin“, die erst nach der Krönung des Marienbildes in Schönstatt Ende 1939 eingefügt wurde.
Der Begriff „Blankovoll­macht“ bürgerte sich erst im Laufe des Jahres 1939 ein. Im Weihegebet fehlt noch „et offerri“, das nach der Verhaftung Karl Leisners ein­gefügt wurde.

Karl Leisner aus dem KZ Dachau am 6. April 1941 an Heinrich Tenhumberg[1]:
Danke Euch für Euer Brudergedenken. Ich spür’s jeden Tag. Unsere gute Mutter [Mta] sorgt für uns alle, für den verlorenen Sohn besonders. Beim Blankoscheck bleibt’s.

[1] Bischof Heinrich (Heini) Tenhumberg (* 4.6.1915 in Lünten, † 16.9.1979) – Karl Leisners Schön­stattgruppen­führer im Collegium Borromaeum in Münster – Bi­schofs­­weihe zum Weihbischof für das Bistum Münster 20.7.1958 – Bi­schof von Mün­ster 7.7.1969 bis 16.9.1979

Karl Leisner aus dem KZ Dachau am 2. Oktober 1943 an Heinrich Tenhumberg:
Am 18. sind’s vier Jahre, daß Ihr daheim [in Schönstatt] versammelt wart und alles blank machtet.[1] Damals konnte ich nur im Geiste mittun.

Weitere Karl-Leisner-Plastiken
Der zweite Guß der Bronzeplastik für das Heiligtum in Freiburg-Merzhausen hat einen etwas helleren Farbton. Bevor es beim Kurstreffen des Uniti-Patri-Kurses an die Regio Freiburg übergeben wird, ist das Relief einige Tage im Heiligtum zu Stuttgart-Freiberg. Am 5. August 1997 ist diese gemeinsam mit der für Freiberg vorgesehenen dritten Plastik auf Moriah. Im August 2000 kommt das vierte Relief in das Heiligtum Aalen-Barnberg und ein Jahr später wird der Schönstatt-Mannesjugend vom Niederrhein die für das Wohnhaus der Familie Leisner, der heutigen Karl-Leisner-Begegnungs­stätte, vorgesehene Plastik übergeben. Ein sechstes Relief ist für das Schönstatt­zentrum in Rom-Belmonte vorgesehen, das siebte für die Heilig-Geist-Kirche in Wittenberg-Jessen, das achte für das Heiligtum in Mannheim. Die neunte Plastik ist in der Hauskapelle von Erzbischof em. Dr. Robert Zollitsch in Freiburg und die zehnte im Heiligtum im Haus Mariengrund in Münster.

Die Karl-Leisner-Plastik wurde in verschiedenen Zeitungen besprochen.

GebertHermann Gebert[1], der von 1993 bis 1999 Rektor des Priesterhauses auf Berg Moriah war, hat für sein Buch „Geschichte einer Berufung – Karl Leisner (1915-1945)“ das Relief als Titelbild gewählt.

[1] Schönstattpriester Msgr. Hermann Ge­bert (* 31.8.1929 in Schramberg/Schwarz­­­wald) – Priesterweihe 24.7.1954 in Rottenburg, Vizerektor des Schönstattpriester-Ver­bandes von 1964 bis 1974, Gene­ralrektor des Schönstatt-Institutes Diözesanpriester von 1974 bis Januar 1993. Er lebt in Schönstatt. Bis zu seiner Erkran­kung arbeitete er an der Veröffentlichung der Lebens-Chronik Karl Leisners mit und lieferte durch seine sehr genauen und intensiven Recher­chen wertvolle Beiträge.

Gebetszettel

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Karl-Leisner-Plakette
Im Dezember 1997 fertigt Johannes Potzler zwei Urmodelle einer Plakette von Karl Leisner für den Uniti-Patri-Kurs und im gleichen Monat noch acht Kopien, im Februar 1998 für weitere Kursbrüder erneut 8 Plaketten. Bei der Gießerei Schneider in Schwäbisch Gmünd werden am 1. Juli 1999 50 Exemplare in Auftrag gegeben.

Text Christa Bockholt – Fotos Haus Moriah