Hamm: Pfadfinderstamm Karl Leisner im Ortsteil Bockum-Hövel

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Am 12. August 1985, dem Gedenktag Karl Leisners, wurde in Bockum-Hövel[1] von ca. 12 Mitgliedern der Stamm Karl Leisner gegründet. Karl Leisner hatte für den Stamm Vorbildcharakter und die Benennung nach ihm wurde sowohl mit seinem Einsatz für die Jugend als auch mit seiner Standhaftigkeit gegenüber den Nationalsozialisten begründet.

[1] 1939 Vereinigung der Dörfer Bockum und Hövel zur amtsfreien Gemeinde Bockum-Hövel – 1975 Eingemeindung von Bockum-Hövel in die Stadt Hamm

 

 

Banner des Karl-Leisner-Stammes

Banner des Karl-Leisner-Stammes

Der Karl-Leisner-Stamm gehört zum Bund Europäischer St. Georgs-Pfadfinderinnen und -Pfadfinder. Das Logo des Stammes zeigt unter dem Namen Karl Leisner gefesselte Hände, die einen Kelch emporhalten sowie den Schriftzug „Victor in Vinculis [Sieger in Ketten]“. Dieses Motiv ist auf einem der drei Primizbilder zu sehen, die Karl Leisner von Mitgefangenen im KZ Dachau zur Primiz, seiner ersten und einzigen heiligen Messe, geschenkt bekam. Es wurde von dem Niederländer Br. Raphael Tijhuis OCarm gemalt.

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Die gefesselten, einen Kelch umfassenden Hände weisen auf die Schönstattgruppe „Victor in Vinculis (Mariae)“ im KZ Dachau hin, zu der auch Karl Leisner gehörte. Neben dem Primizgewand erhält ein Neupriester einen Kelch, mit dem er sein Leben lang zelebriert. Bei seiner Beerdigung wird dieser Kelch mit einer Stola auf den Sarg gestellt.

 

 

 

Nach einigen Jahren gehörten zum Stamm Karl Leisner in Bockum-Hövel ca. 35 Mitglieder. Wie Karl Leisner unternahmen sie zahlreiche Fahrten und Zeltlager. Fahrradtouren führten nach Schweden, England, Belgien und in die Niederlande und eine Großfahrt nach Gibraltar. Die Georgs-Pfadfinder nehmen den ganzen Menschen in den Blick, die Kinder werden zur Selbständigkeit erzogen. Bis vor ca. 3 Jahren war der Stamm Karl Leisner noch ein Ausbildungsstamm.

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Beim Katholikentag in Dresden 1994 war der Stamm Karl Leisner am Stand des IKLK eine wichtige Stütze.

 

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1987 wurde im Garten des Stammesvorsitzenden Ralph-Georg Kleine von den Mitgliedern ein neues Heim, die Karl-Leisner-Hütte, gebaut.

 

 

Karl-Leisner-Hütte

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Im gleichen Jahr konnte der Stamm nach Vermittlung von Christopher Kleine durch den Erlös von Trödelmärkten Medikamente nach Togo zu Schwester Therese in Bassar senden. Im Rahmen einer Maßnahme der „Hilfe zur Selbsthilfe“ halfen einige Pfadfinder vor Ort beim Aufbau einer Schlosserei.

Im März 1988 wanderten die Mädchen und Jungen unter der Leitung des Stammesvorsitzenden Ralph-Georg Kleine auf den Spuren Karl Leisners von Krefeld über Kevelaer und Xanten nach Kleve. Hier begegneten sie auch den Geschwistern von Karl Leisner. (Der IKLK berichtete im Rundbrief Nr. 18 vom Juni 1988 darüber.[1])

[1] Der Karl Leisner-Stamm des Europäischen Pfad­finderbundes St. Georg aus Hamm pilgerte vom 19.26.3.1988 zu Fuß von Krefeld bis Kleve über Kevelaer und Xanten auf den Spuren Karl Leisners, ihres Namensgebers. Übernachtet wurde in katholi­schen und evangelischen Pfarrhäusern oder -hei­men, wo sich alle gut aufgehoben fühlten. Zum Ausgangspunkt der Tour wurden die Mädchen und Jungen, die unter Leitung des Stammesvorsitzenden Ralph-Georg Kleine insgesamt 80-90 km zu Fuß zurücklegten, von ihren Eltern gebracht und dann wieder abgeholt. Dazwischen lagen erlebnisreiche Tage, an denen sie auch den Geschwistern von Karl Leisner begegneten. Im Xantener Dom besuchte der Stamm das Grab seines Namenspatrons in der Krypta des Domes.

Modell für das Bronzerelief

Modell für das Bronzerelief

Der Stamm Karl Leisner ließ 1988 ein Bronzerelief mit einem Durchmesser von 21 cm fertigen. Es zeigt das Portrait und den Namen Karl Leisners. Darüber steht: „Christus ist meine Leidenschaft“.

Schwester Therese in Bassar/Togo wurde als erste mit dem Bronzerelief geehrt. Weitere Reliefs wurden Pater Hermann Schulz SDB, der langjährig in Kigali/Ruanda tätig war, sowie dem Schwager von Karl Leisner, Wilhelm Haas, verliehen.

 

 

 

Am 1. Mai 1934 schließt Karl Leisner seinen Tagebucheintrag mit folgendem Gebet:
„Herr Gott, Du mein König und höchster Führer, Du lenkst in wunderbarer Weisheit und Güte die Geschicke aller Menschen.
So hast Du mich armen, schwachen, sündigen Menschen durch eine Zeit der Versuchung und der Schwachheit hindurch geführt, um mich jetzt zum heiligsten und höchsten Amt – zum Priestertum – zu berufen. Deine allmächtige Weisheit hat mich – das kleine, unwürdige, stolze, erbärmliche Menschlein, das mit so mancherlei Makel und Fehlern behaftet, – zum würdigsten, demütigsten, würdevollsten Beruf erkoren. – O, gib doch, Du gütigster Vater, daß ich die Vorbereitungszeit auf diesen hehren Beruf, – Dich zu vertreten, – aus Deinen unerschöpflichen Lebensquellen in Wahrheit und Demut gestalte!“
Christus – Du bist meine Leidenschaft
Heil!
Bei der Tagebuch-„revision“ am 2. September 1935[1]

[1] Karl Leisner hat „Christus – Du bist meine Leidenschaft Heil!“ am 2.9.1935 nachgetragen.

Schwester Therese in Bassar/Togo wurde als erste mit dem Bronzerelief geehrt. Weitere wurden Pater Hermann Schulz SDB, der langjährig in Kigali/Ruanda tätig war, sowie dem Schwager von Karl Leisner, Wilhelm Haas, verliehen.

 

Mitglieder des Stammes Karl Leisner nahmen an seiner Seligsprechung durch Papst Johannes Paul II. im Olympiastadion in Berlin teil.

Brillenaktion 2015 (2. von rechts Ralph-Georg Kleine)

Brillenaktion 2015 (2. von rechts Ralph-Georg Kleine)

Der soziale Aspekt des Karl-Leisner-Stammes wird heute noch durch verschiedene Aktionen, wie Altkleidersammlungen oder Brillensammelaktionen fortgesetzt. Es werden gebrauchte Brillen gesammelt, sortiert und an BRILLENWELTWEIT, einer Einrichtung des Deutschen Katholischen Blindenwerks e. V., gesandt. Soweit verwertbar, werden die Brillen an Einrichtungen in Afrika für bedürftige und sehbehinderte Menschen weitergeleitet. Die Erlöse von nicht verwertbaren Brillen kommen sozialen Projekten zugute. Bei der letzten Aktion in 2015 wurden 4.500 Brillen gesammelt.

Den Aufzeichnungen Karl Leisners ist nicht zu entnehmen, dass er den Ortsteil Hövel bzw. den Stadtbezirk Bockum-Hövel der Stadt Hamm kennengelernt hat oder eine sonstige Beziehung dazu hatte. Allerdings lernte er das zu Hamm gehörende Schloss Heessen[1] während eines Lagers der katholischen theologischen Fachschaft der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster kennen.

[1] Schloß Heessen: Erste urkundliche Erwähnung als Erbgut des Bischofs Ludolf von Osnabrück († 978) 975 – Errichtung des Hauses im neogotischen Stil durch Alfred Hensen (1869–1931) um 1908 – von 1935-1945 Verpachtung an den Nationalsozialistischen Deutschen Studentenbund – seit 1957 „Landschulheim Schloß Heessen staatlich anerkanntes Tagesgymnasium und Internat“

Vor dem SchloßKarl Leisner untere Reihe rechts außen

Vor dem SchloßKarl Leisner untere Reihe rechts außen

Münster, Mittwoch, 5. Februar 1936
Nach der Ankunft im Schloß [Heessen] (ein feines Ding!) gehn wir raus. – Vor dem Abendtisch zieh’ ich nach draußen in die Winterlandschaft, atme, denke, bete und singe aus frohem Herzen. Abends gestalten wir in der Pfarrkirche [St. Stephanus] eine Marienandacht.

 

 

Heessen, Donnerstag, 6. Februar 1936
Morgens zur Gemeinschaftsmesse ins Rektorat.[1] Rückweg „schlibbernd“ und tollend durch die Winterlandschaft. Ein wundervoller Morgen. […]
Dann zieh’ ich mit Bernd Brengelmann los zur Freilichtbühne.[2] […]
Nach dem Essen sitzen wir noch zu Sing-Sang und Plaudern am warmen Kamin zusammen. – Es ist fein. Wir spüren Nähe und Gemeinschaft. – Volk sind wir. Es waren feine Stunden.

[1] Heessen St. Joseph wurde 1923 selbständiges Pfarrektorat von St. Stephanus.
[2] Die Waldbühne Heessen (vollständiger Name: Westfälische Freilichtspiele e. V. Waldbühne Heessen) in Hamm ist die besucherstärkste Amateur-Freilichtbühne Deutschlands. Die Gründung erfolgte am 7.7.1924. Nachdem der Spielort sehr bald für die Aufführungen zu klein wurde, wurde ein eigenes Grundstück erworben. Auf diesem entstand zunächst eine Holztribüne. Zugleich wurde auch der Name an den neuen Spielort, den Heessener Wald, angepasst und lautete nun Westfälische Heimatspiele-Waldbühne Heessen. Bereits 1930 war eine erneute Erweiterung der Tribüne durch Seitenbauten nötig, nach dem Ausbau fasste sie 3.000 Zuschauer. Zu Beginn der 1930er Jahre war das Zuschaueraufkommen auf bis zu 85.000 Besucher im Jahr gestiegen.

Über den Stamm Karl Leisner hinaus wird der Selige in Bockum-Hövel durch den Kinderhort Karl Leisner und in der St. Pankratiuskirche durch ein Denkmal geehrt.

Link zum Denkmal für Karl Leisner und Dietrich Bonhoeffer

Text und Fotos Christa Bockholt und IKLK-Archiv