Karl Leisner und seine Lieder (6)

 

Karl Leisner mit seiner Schwester Maria 1937 im Allgäu

 

Quelle des Fotos: Karl Leisner-Archiv

 

 

 

 

Liederbücher und Zeitschriften als Gesangshilfen

Entsprechende Liederbücher unterstützten das Singen von „jugendbewegten“ Liedern. Die Jugend­­­­­zeitschriften „Am Scheidewege“, „Jungwacht“ und „Die Wacht“ stellten zum Beispiel immer wieder neue Lieder mit Noten vor, die die Jugendlichen auswendig lernten. Man sang nicht nur die alten Lieder, sondern Dichter und Komponisten, die selbst aus der Jugendbewegung kamen, schufen auch neues Liedgut.

Am Scheidewege, Oktober 1936: 5

Jungwacht 1934: 27

Die Wacht 1934: 489

Jungwacht 1932: 223

Samstag, 14. Juli 1934
Von 10.00 bis 13.00 Uhr neue „Wacht“ [Zeitschrift „Die Wacht“ Juli 1934] gelesen: Glänzend! Das ist Jugend.
Hein Vehreschild hatte sie mir geschickt, fein! – Die beiden Lieder „Und unsere Fahne ist die Treue“[1] und „Wir bauen eine Straße“[2] auf dem Klavier geprobt: Ich erlebe Jugendreich!

[1] Zeile aus dem Lied „Seht die bunten Fahnen fliegen“. Dieses Lied ist in der Juli-Ausgabe der Wacht 1934 (S. 27) mit Noten für Chor und Instrumente abgedruckt.
[2] Dieses Lied ist ebenfalls in der Juli-Ausgabe der Wacht 1934: 12 mit Noten für Chor und Instrumente abgedruckt.

Im Jungscharrundbrief vom 8. Oktober 1934 kündigte Karl Leisner für eine Führerschulung folgendes an:
11.30–12.30 Uhr Das Singen in der Jungschar (Grundsätzliches und praktisches Üben neuer Lieder).

Auch bei seiner Ferienplanung für das Jahr 1935 gehörte das Singen mit zu den wichtigsten Aufgaben.

Münster, Donnerstag, 24. Januar 1935
Nütze die Ferien aus bis zur letzten Minute. Volles Ruhen und Ausschwingen, otium [Muße], aber frucht­bares. Rechte Tageseinteilung – harmonischen Wechsel – in die Ferien­­­tage brin­gen! Ein­stimmen, nachsinnen, bereiten, ausatmen und einat­men, große schöpferische Pause sollen die nächsten Ferien sein! Vorberei­tung der Flan­dernfahrt [3. bis 21.8.1935], der liturgischen Woche, der Führerkurse – das Tagebuchschreiben, die vier großen Aufgaben. Dazu die wichtigste: Lesen zur Vertiefung besonders Philosophie, Geschichte, Vor­lesen und Er­zählen und Singen (praktisch-theoretisch).

Was für die Gruppenstunden galt, praktizierte man auch bei anderen Treffen.

Am 18. März 1934 schrieb Willi Leisner in sein Tagebuch:
Um 7.00 Uhr hatten wir Jungscharführer Gemeinschaftsmesse im Mäd­chenheim. Dann hatten [wir] im Kolpinghaus gemein­schaft­lichen Kaf­fee. Um 8.30 Uhr begann dann der Kursus mit dem Thema: Jungschar­päd­ago­gik und Jungscharstunde: Der Jungscharführer muß jung und le­ben­dig mit den Jungen fühlen und der Gruppe ein Vorbild sein. Die Jung­scharstunde soll vier wesentliche Teile aufweisen: 1.) das Lied, 2.) das Führerwort, 3.) Vorlesung, 4.) gemeinschaftliches Spiel. Als Lieder kommen die Lieder aus dem Singeschiff [Liederbuch „Das gelbe Singeschiff“ oder „Das graue Singeschiff“] und dem Scheide­weg [Zeitschrift „Am Scheidewege“] in Frage. Lustige Lieder begeistern die Jungen.

Am 14. Oktober 1934 notierte er:
Heute hatten wir Bezirkstreffen der Jungscharführer in Kleve. Morgens hatten wir Singe­stunde und Aussprache.

Jungscharführerkursus in Vechta

Freitag, 7. Dezember 1934
Gegen 20.45 bis 21.45 Uhr eine kleine Märchen- und Sin­gestunde. (Süddeutsche Städte­märchen[1] – Lieder aus dem „Grauen Singe­schiff“ [Liederbuch „Das graue Singeschiff“].)

[1] Hermann Dreßler, Süddeutsche Städte­märchen, Straubing 1910

Samstag, 8. Dezember 1934
Es kann beginnen! Wir singen das Lied von der Treue „Seht die bunten Fah­nen“. Schriftlesung Lk 3 „Bereitet den Weg des Herrn“. Lied: „Und wenn wir mar­schieren“.
[…]
11.15 bis 11.30 Uhr nach frohem Wander­lied viertel Stunde Pause
[…]
11.30 bis 12.00 Uhr Frohe Singestunde.
[…]
Advents­feier. (Lied: „Ave Maria zart“ – Lesung Neues Testament: Lk [1,]26–38. – Kurze An­rede: Advent – was sagt er uns. Das 4.000jährige Warten des jüdischen Volkes – Geduld, lange Zeit! – Dabei aber höchste Aktivität und Le­bendig­keit! – Wir wollen einen neuen Advent (Ankunft) Christi in unserm Vaterland vorbereiten (Verteidi­gung gegen Vorwürfe – Stärkung für die Zukunft!) – Damit wieder Weihnacht im Abendland – besonders in Deutschland werde! „Darum wollen wir beten: Pater noster, Ave Maria – Lied: „Meerstern[, ich dich grüße]“.)

Sonntag, 9. Dezember 1934
Nachher Lobgesang und Lied „O Heiland reiß die Himmel auf!“ Dann feiner gemeinsamer Kaffee. 8.45 Uhr ab zur Josefs­burg. (Vorher dem Prä­fekten [Bernhard Janzen] gedankt mit Lied und Heil, auch den Schwe­stern – Schwester „Pusteback“ [Maria Honesta Schneider[1]] bestellte frohen Gruß an Religionslehrer Huyeng![2]) – 9.15 Uhr Beginn. Schrift-Lesung Mt 6,16–34. Dann kurze Wiederholung des Gestrigen.
[…]
Mit frischem Lied leiten wir über zum eigentlichen Vorwurf [Entwurf] für heute: „Jun­gen – wie sie sind“.
[…]
Von 11.00 bis 12.15 Uhr frohe Sing- und Spielstunde (Kanones und Spiele nach dem Werkheft 10 [Die Jungschar, 10. Werkheft]).

[1] Die Jungen des St. Antonius-Konviktes in Vechta nannten Schwester Honesta Schneider „Schwester Paus­backia“.
[2] Heinrich Huyeng war von 1927 bis 1928 Kaplan in Duisburg-Ruhrort, wo auch Schwester Honesta 1928 tätig war.

Jungschartag 1935 in Vreden

Theo Wissing:
Dann wieder ein Lied zur Klampfe und er [Karl Leisner] übt mit uns das Lied (ich werde es nicht vergessen): „Kameraden, wir marschieren, wollen fremdes Land durchspüren … Ka­meraden, fremde Welten singen leis von unserm Land.“.
[…]
Karl er­muntert zur Treue und zum Durchhalten. Ein Trutz- und Treuelied unter­streicht noch mal sein Wort.
[…]
Zu der Zeit auch für manchen von uns die bange Frage: Wie wird es uns ergehen? Was bringt uns die Zeit? Unser Jungscharlied war unser Bekenntnis in dieser Stunde: „Wir sind die Jungschar, Herr und Gott“. Mit dem Bekenntnis schloß der Jungschartag.

Führerkurs in Schloß Raesfeld

Mittwoch, 1. Januar 1936
Eine feine Stunde mit frischen Liedern.
[…]
Nach dem Mittag Schlußappell. „Silberglän­zende Trom­pete“. Das Lied gefällt mir.

* * * * *

Hausmusik und Volkslied standen bei Familie Leisner hoch im Kurs. Jedes Familienmitglied spielte mindestens ein Instrument.

Elisabeth Haas am 9. Dezember 2009 an Hans-Karl Seeger:
Unsere Abende in der Familie verbrachten wir gerne mit Singen und Musizieren. Jeder spielte ein oder zwei Instrumente. Mutter hatte Klavierspielen erlernt, Vater Geige, Karl liebte Gitarre- und Klavierspiel[1], Willi begleitete auf der Gitarre, Maria konnte Klavier und Flöte spielen, Paula drei verschiedene Flöten und ich spielte Geige und Flöte.
Wir sangen auch sehr gerne mehrstimmig miteinander. Da waren wir alle mit Leib und Seele dabei. Als die beiden Brüder nicht mehr zu Hause waren, besuchte uns zwei- oder dreimal der Lehrer und Komponist Adolf Lohmann, der damals in Goch tätig war. Mit ihm übten wir gerne mehrstimmige Lieder ein, die wir oft und oft mit Begeisterung sangen.

[1] Montag, 20. Februar 1928
Besprochen: Wir kaufen noch eine Flöte mit Schule. [Hermann] Mies spielt die eine, [Karl] Leisner die andere.

Karl Leisner aus Sachsenhausen Sonntag, 28. April 1940, an seine Familie in Kleve:
Ihr werdet jetzt da­heim mit unsern Soldaten [Helmut See­feldt und Herrn Sonntag] die schö­nen Volkslieder zur Geige und Klampfe oder am Kla­vier mit lustigem Flötenklang singen. Im Geiste tu’ ich das mit Euch; und so trage ich die Zeit mit gutem Mut und fröhli­chem, tapferem Herzen.

Donnerstag, 6. März 1930
Nach dem Essen fuhr ich mit dem Rade zur Klavier­stunde zu [Fritz] Goffin. (Sonst habe ich seit vorigem Jahr immer Dienstagnach­mittag 14.30 Uhr Klavierstunde.)

Montag, 31. März 1930
Nachher trie­ben Rudolf R., Martha R. [Retzlaff] und ich unten [in Retzlaffs Wohnung] etwas Musik.

Auf der Personalkarte des Freiburger Universitätsarchivs ist Karl Leisners Teilnahme an einen Ar­beitskreis des deutschen Volksliedes in Münster im Sommersemester 1935 und im Wintersemester 1935/36 vermerkt.

Wenn es Karl Leisner vergönnt gewesen wäre, in einer Gemeinde zu arbeiten, hätte er zur Gemeinschaftsbildung sicherlich auch das Singen eingesetzt. Zudem ist Singen die natürliche Sprech­weise im Gottesdienst.