Karl Leisner beschäftigte sich im Studium mit diesem Philosophen.
Er notierte am 19. Dezember 1934 in seinem Tagebuch:
Dann im Trapp [um 16.15 Uhr] zu [Professor] Peter Wust: Über [Johann Gottlieb] Fichtes Leben – ein Gedicht! Die wunderbaren Schickungen.[1] Wust fand feine Worte über Volksverbundenheit: „Die davon (tagaus, tagein) immer reden, wissen (vielleicht) gar nicht um ihr Wesen![2] Sie muß einem in die Wiege gelegt sein!“ Fichte: Er sei ihm unverständlich, irr vorgekommen nach den Vorlesungen Clemens Baeumkers[3]. Aber nach Lesen der Biographie von [Fritz] Medicus[4] habe er ihn liebgewonnen: Er [Fichte] wurde der große Apostel der Freiheit, des Geistes und so – durch den Geist! – brachte er dem deutschen Volk Kraft, Schwung, Zucht, Rettung gegen den Feind. – Nur die Waffen des Geistes führen unser Volk wieder zu Aufstieg und Sieg!! Das lehrt uns der große Fichte. – Eins noch lehrte mich diese Vorlesung: Man soll aufgeschlossen sein für alles Gute und Schöne bei allen andern Menschen – auch wenn sie daneben noch so viel Dunkles und Falsches an sich haben! –
[1] [Johann Gottlieb] Fichtes Vater war ein armer Bandweber in Rammenau bei Bischofswerda. Nachdem er in seiner frühen Jugend die Stadtschule in Meißen besucht hatte, ermöglichte ihm eine kuriose Geschichte eine höhere schulische Ausbildung: Eines Tages kam der Gutsherr Freiherr Haubold von Miltitz, der die Predigt des Sonntags verpaßt hatte, nach Rammenau. Fichte bemerkte diesen Gutsherrn und versicherte, ihm die Predigt wiederholen zu können. Daraufhin imitierte Fichte den Pfarrer so perfekt, dass der Gutsherr in seiner Entzückung dem Kind eine Ausbildung an der Fürstenschule Schulpforta bei Naumburg (Saale) finanzierte (URL http://de.wikipedia.org/wiki/Johann_Gottlieb_Fichte – 15.6.2011).
[2] vermutlich Anspielung auf die Nationalsozialisten und deren Anhänger
[3] Peter Wust hatte Clemens Baeumker während seines Studiums in Straßburg gehört. Vermutlich hatte dieser sich zurückhaltend bis negativ zu Fichte geäußert, denn damals war der Deutsche Idealismus nicht sehr geschätzt.
[4] Medicus, Fritz: Fichtes Leben, Leipzig 1914
Peter Wust (* 28.8.1884 in Riesenthal/Saarland, † 3.4.1940 in Münster)
Johann Gottlieb Fichte (* 19.5.1762 in Rammenau, † 29.1.1814 in Berlin)
Die Mitschriften der Vorlesung von Professor Peter Wust über Johann Gottlieb Fichte sind im Nachlaß von Karl Leisner vorhanden. Sie zeigen, wie sehr sich die Studenten damals mit Johann Gottlieb Fichte auseinandergesetzt haben.