Karl Leisners geheime Priesterweihe im KZ Dachau am 17. Dezember 1944

In der Lebens-Chronik zu Karl Leisner nicht veröffentlichte Berichte über die Priesterweihe

 

Berichte über Ereignisse sind nie objektiv. Immer fließt die Sichtweise des Betrachters mit ein. Das gilt vor allem, wenn der Schreiber das Geschilderte nicht selbst erlebt hat.
So verhält es sich auch in Bezug auf die Priesterweihe von Karl Leisner. Nachfolgend werden erst nach dem Erscheinen der Lebens-Chronik aufgefundene Berichte veröffentlicht, vier von KZ-Priestern und vier von Journalisten.

 

 

KZ-Priester

P. Adolf Kajpr SJ (* 5.7.1902 in Hredie/Tsch, † 1959) – Professor, Redakteur – Eintritt bei den Jesuiten ? – Priesterweihe am ? – Er kam am 15.9.1941 ins KZ Mauthausen und am 30.5.1942 wegen seiner Presseartikel als Häft­ling Nr. 30242 ins KZ Dachau und wurde am 29.4.1945 befreit.

Prof. Vojtěch Novotný, Th.D. am 29. August 2017 an Hans-Karl Seeger:
[…]1950–1959 wurde er [P. Adolf Kajpr SJ] von den Kommunisten festgehalten und verstarb schließlich infolge aller dieser langjährigen, mit den Verhaftungen verbundenen Plagen. […] In einem Brief vom 31. Dezember 1944 schreibt er: „… am 3. Adventssonntag war hier eine Priesterweihe und am St. Stephan eine Primizmesse, das alles mit schönem Gesang, mit schönen Gewändern, am lichtvollen Altar.“

P. Adolf Kajpr SJ hat die Gratulationsliste zur Priesterweihe nicht unterschrieben. Auch Karl Leisner erwähnt keinen tschechischen Priester in seinen KZ-Briefen.

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Geistlicher Rat Richard Alois Schneider, im KZ Capo Maus genannt, (* 5.1.1893 in Hund­heim, † 6.9.1987 in Buchen) – Priesterweihe 12.6.1921 in Freiburg/St. Peter – Er kam we­gen Warnung vor dem Eintritt in die SS am 22.11.1940 ins KZ Dachau und wurde am 29.3.1945 entlassen. Im Seligsprechungsprozeß für Karl Leisner hat er 1982 als Zeuge aus­ge­sagt.

Richard Schneider aus Buchen am 10. Dezember 1969 an Amalia Leisner in Kleve:
Liebe Priestermutter Leisner!
[…]
Am 17. Dezember [1969] werde ich hier für den lieben unvergessenen Leidensgefährten das hl. Opfer feiern.
Mit Gruß und Segen im Herrn bin ich
Ihr
Rich. Schneider Pfr.

Schneider (1)

 

Ergänzungen
Mit den Genehmigungen zur Weihe verhält es sich wie folgt:
Während die Erlaubnis aus „Münster“ über den offiziellen Postweg des KZ Dachau ging – alle Brief­bögen tragen den Stempel der Post­zensur­stelle KL Dachau – vollzogen sich die Anfragen nach München „auf geheimen Wegen“. Michael Kardinal von Faulhaber machte durch ein Paket mit Bischofsinsignien, das ins KZ ging, deutlich, daß er der Weihe zustimmte.

Mein lieber Herr Karl Leisner!
Auf die Anfrage vom 23. Septem­ber, die ich heute erst er­hielt, erwidere ich Ihnen, daß ich gern meine Zustimmung gebe, daß die heilige Hand­lung dort vollzogen wird. Voraus­set­zung ist, daß alles sicher gültig und für später nach­weisbar ge­schieht. Gott gebe sei­nen Segen dazu! Mit den be­sten Grüßen an alle lieben Mit­brüder und Segen, den 29. Okto­ber 1944 † Clemens August

 

Michael Kardinal von Faulhaber notierte sich auf einen Zettel in Gabels­ber­ger-Kurzschrift:
Dachau
[An] Lagerdekan [Georg] Schelling.
[Über] Pf. [Friedrich Pfanzelt] [Mittwoch] 25. Okt 1944: Frl. Benz[1]:
Mitra, Birett vom Dom ([Domkapitular Dr. Franz] Hartig), viol. [violette] Strümpfe[2], [Pontifikal-]Hand­schuhe, 2 zucch. [Zucchetti] warm, 1 P. [Paar] ganz warme Win­ter­schuhe, Zwie­backtüte, Schachtel mit 50 Zig. [Zigarren] à 20 [? zu 0,20 Reichsmark], Aepfel.
Violine nicht nötig weil sie einen Chor haben und Mes­sen von Pf. [? Pfanzelt] gehalten [sic!] hat.
Dem Bischof von Clermont [Gabriel Piguet] lasse ich sagen durch Schell. [Georg Schelling], warum ich nicht [direkt an ihn] schreibe und nicht schicke. Ob nicht in den Ehren­bunker?[3], [4]
[1] Vermutlich die Fotografin Maria Penz aus München. Da sie in München ausge­bombt war, lebte sie damals im Pfarrhof von St. Ja­kob in Dachau.
[2] Violette Strümpfe zu tragen war das Privileg des höhe­ren Klerus.
[3] Offensichtlich rechnete Michael Kardinal von Faulhaber damit, daß Bischof Gabriel Piguet in den Ehrenbunker käme, was dann auch am 22.1.1945 geschah.
[4] Erzbischöfliches Archiv München und Freising NL Faulha­ber 6831

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Geistlicher Rat Ferdinand Maurath (* 28.6.1908 in Bühl/Baden, † 5.7.1993) – Priester­weihe 30.4.1933 in Freiburg/St. Peter – Er kam wegen Sendung von Bibeln an Soldaten am 2.8.1941 ins KZ Dachau, war dort ab 1943 als Hilfs­pfleger im Kran­kenre­vier, Block 7/2, tätig, wobei ihm sein frühe­res Medizin­studium zugute kam, und wurde am 9.4.1945 entlas­sen. Vor der KZ-Zeit hat er vermutlich Exerzitien bei P. Otto Pies SJ ge­macht. Im Marty­rerprozeß für Karl Leisner hat er 1990 als Zeuge ausgesagt.

 

 

Maurath

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Geistlicher Rat Albert Riesterer (* 21.3.1898 in Staufen, † 20.2.1996 in Über­lin­gen) – Prie­sterweihe 5.4.1925 in Freiburg/St. Peter – Er kam wegen Sabotage der NS-Jugend­er­zie­hung am 14.11.1941 ins KZ Dachau und wurde am 9.4.1945 entlassen.

Albert Riesterer berichtete offensichtlich in einer Serie in einer weder vom Titel noch vom Datum bekannten Zeitung über seine Zeit im KZ Dachau und auch über die Priesterweihe von Karl Leisner.

Riesterer (1)

 

Ergänzungen
Die Erlaubnis aus „Münster“ ging über den offiziellen Postweg ins KZ Dachau (siehe Richard Schneider).
Die Priesterweihe war zwei Sonntage vor Weihnachten, am Sonntag Gaudete, dem 17. Dezember 1944.

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Journalisten

F. Bleistein schrieb in einem Artikel in der Zeitschrift „Leuchtturm“ vom 9. Dezember 1951 unter der Überschrift „Der fröhliche Häftling“ über Karl Leisner und dessen Priesterweihe im KZ Dachau.

Bleistein (1)

 

Ergänzungen
Zur Erlaubnis der Weihe siehe Richard Schneider.

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Hubertus Guske schrieb in einem Artikel in der Zeitschrift „begegnung“ 1984 über Karl Leisner und dessen Priesterweihe im KZ Dachau.

Guske (1)

Ergänzungen
Am 25. April 1941 kam Weihbischof Dr. Michał (Michael) Kozal von Leslau/Włocławek/PL ins KZ Dachau. Die Anwesenheit eines Bischofs im Lager mag die Hoffnung der Priester auf die Priester­weihe Karl Leisners beflü­gelt haben. Aber die äuße­ren Bedin­gungen für eine Weihe waren damals noch nicht gegeben. Außerdem wäre es wesentlich schwieriger als 1944 gewesen, die Erlaubnis der zuständigen Ordinarien in Münster und München zu erwirken. Auch war Bischof Michał Kozal nicht be­reit, als selbst Unfreier einem Unfreien die Weihe zu spenden.
Zur Erlaubnis der Weihe siehe Richard Schneider.
„Christus – Du bist meine Leidenschaft“ trug Karl Leisner am 2. September 1935 nach.

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Pater Paul Schmidt SM schrieb in einem Artikel in der Zeitschrift „GROSSER RUF“ 1991 über Karl Leisner und dessen Priesterweihe im KZ Dachau.

Schmidt (1)

Ergänzungen
Zur Erlaubnis der Weihe siehe Richard Schneider.
Die Amerikaner befreiten das KZ Dachau am 29. April 1945.

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Regina Bauer schrieb in einem Artikel in der Zeitschrift „Betendes Gottes Volk“ Nr. 235, 2008/3 unter der Überschrift „Heiliger oder Schuft“ über Karl Leisner und dessen im KZ Dachau.

Bauer (1)

 

Ergänzungen
Zur Erlaubnis der Weihe siehe Richard Schneider.
Karl Leisner starb am 12. August 1945 im Waldsanatorium Planegg bei München.
Die Entscheidung „Heiliger oder Schuft“ hatte er in den Exerzitien 1931 in Gerleve getroffen.