Vor 25 Jahren starb Elisabeth Ruby

Elisabeth Maria Ruby (* 24.3.1914 in Berlin, getauft 25.3.1914, † 25.12.1993) – Vor der Geburt hatte man in der Charité in Berlin zur Ab­treibung des Kindes geraten, weil man mit einer lebensbedrohenden Geburt für Mutter und Kind ge­rechnet hatte. Karl Leisner wohnte 1937 während seines Studiums in Freiburg/Br. bei Familie Joseph Ruby. Als er an einer Mittelohrentzündung erkrankt war, pflegte Elisa­beth ihn, und beide verlieb­ten sich ineinander, entschieden sich aber nach inneren Kämpfen bewußt für einen anderen Lebensweg. Elisabeth wurde Seel­sorgehelfe­rin und Haushälterin bei ihrem Bruder Karl in Radolfzell, war vor­wiegend in der Ju­gendar­beit tätig und gab Religi­onsunter­richt. Nach Aus­bruch des Zweiten Weltkrieges mietete Dr. Joseph Ruby in Radolf­zell eine Wohnung, in die Elisabeth und ihre vier jüng­sten Geschwister Heribert, Peter, Rudolf und Maria, für die sie sorgte, einzogen. Die Kin­der gingen dort bzw. in Konstanz zur Schule. Ein Jahr später kehrten drei Kinder nach Freiburg/Br. zurück.
Im Seligsprechungsprozeß für Karl Leisner hat sie 1981 als Zeugin ausgesagt.

 

 

 

 

 

Familie Joseph Ruby vor ihrem Haus in Freiburg/Br., Neumattenstaße 18

 

 

 

 

Haus vor der Renovierung

 

 

 

 

 

 

Haus nach der Renovierung

 

 

 

Bei Familie Dr. Joseph Ruby in Freiburg/Br., Neumattenstraße 18, wohnten immer Theologiestudenten.

Erinnerungen an diese Zeit

Rainer Woelki (heute Erzbischof und Kardinal in Köln):
Von Oktober 1979 bis Juli 1980 verbrachte ich meine Freisemester in Freiburg/Br. und wohnte im Hause Ruby. Kennengelernt habe ich dabei aller­dings nur Elisabeth Ruby und ihren Priesterbruder Karl, dem sie den Haushalt führte. Karl Ruby lebte sehr zurückgezogen.
Sicherlich war Elisabeth Ruby eine tief fromme, kirchliche Frau, für die die tägliche Mitfeier der hl. Messe sowie die tägliche Betrachtung selbst­ver­ständlich waren. Manchmal hatte ich ein wenig den Eindruck, daß sie etwas mit ihrem Schicksal haderte, weil sie daheim nur den Haushalt ihres Bruders zu führen hatte. Vielleicht tue ich ihr mit dieser Einschätzung aber auch Unrecht.
Elisabeth Ruby hatte die Gabe, die bei ihr wohnen­den Studenten für alle möglichen Aktivitäten ein­zuspannen, angefangen vom Rasenmähen bis zum Einkaufen. Ich wollte mich nicht ganz vereinnah­men lassen und be­mühte mich, immer möglichst schnell an ihrer Küche vorbei auf mein Zimmer zu kommen.
Elisabeth Ruby erzählte mir schon mal etwas von Karl Leisner und zeigte mir das Zimmer, in dem er gewohnt hatte. Das sind meine Erinnerungen an meine Zeit im „Collegium Rubianum“.

Hermann Kahler (heute Offizialatsrat in Münster):
Ich habe Frau Elisabeth Ruby im Frühjahr 1981 kennengelernt, als ich mich daran machte, ein Zimmer für die Freisemester in Freiburg/Br. zu su­chen. Ich hatte keine Ahnung, an wen ich mich wenden sollte, und irgendeiner der Borromäer [in Münster] hatte mir den Tip gegeben, an Frau Ruby in der Neumattenstraße zu schreiben. Nach meiner Erin­nerung be­kam ich kurze Zeit später ein Antwort­schreiben.
An einem Frühlingswochenende machte ich mich auf den Weg und be­gegnete einer zierlichen und zugleich energisch wirkenden älteren Dame, die ihr graues Haar schlicht zu einem Knoten ge­knüpft hatte. Sie zeigte mir das Zimmer im Dach­geschoß des Hauses; es lag neben dem, in dem Karl Leisner gewohnt hatte, was sie allerdings nicht von sich aus gesagt hat. Ich meine, sie habe schon bei dieser Gelegenheit erwähnt, wer alles von den Münsteraner Priestern während des Stu­diums in dem Haus und dem Zimmer von Karl Leisner gewohnt habe. Die Verbindung zum Bistum Münster war ihr wohl sehr wichtig, dieses brachte sie während mei­ner zwei Semester in Freiburg/Br. immer wieder zum Ausdruck.
Das Haus in der Neumattenstraße war in den [19]30er Jahren in einer sehr ruhigen „bürgerlichen“ Wohngegend am Übergang von Freiburg/Br. nach Littenweiler gebaut worden. Haus und Garten wa­ren sehr ordentlich. Das Haus war schlicht, für meinen Geschmack recht nüchtern eingerichtet. Es gab eigentlich nichts Persönliches im Wohnzim­mer.
Ich erfuhr schon während des Wochenendes im Frühjahr 1981, daß Frau Ruby ihre drei zur Ver­mietung freien Zimmer so gut wie ausschließlich an Priesteramtskandidaten abgab. Sie hatte zwi­schendurch auch an einige wenige Studenten ande­rer Fakultäten vermietet, aber die hatten ihr nicht so recht gepaßt. Ganz deutlich wurde, daß sie eine Vorliebe für Theologen hatte, die sie etwas „be­muttern“ konnte; der Spitzname des Hauses war dann auch „Collegium Rubianum“. Sie putzte die Zimmer und wusch das Geschirr, wenn sie be­nutztes im Zimmer vorfand.
Ich möchte auch erwähnen, daß sie uns Studenten in der Weihnachtszeit ein Geschenk machte. Sie sagte, gute Verbindungen zu einem Verlag zu haben, der auch Schallplatten verkaufe, und so durften wir uns eine Schall­platte aussuchen.
Gerne spannte sie die Studenten nach ihren Vor­stellungen ein. Mein Zimmernachbar wußte zu berichten, daß sie ihn gerne für kleinere Aufga­ben im Garten eingespannt hätte; vor allem hätte sie gerne gesehen, wenn er und ich uns einer verwit­weten älteren und etwas schwierigen Dame an­ge­nommen hätten.
Da die Studentenzimmer im zweiten Stock lagen und nur über eine Holz­treppe zu erreichen waren – im ersten Stock hatten ihr Bruder Karl, sei­nerzeit noch Studentenpfarrer an der Katholischen Fach­hochschule, und sie ihre Schlafzimmer – bekam man gelegentlich morgens zu hören, daß man doch recht spät zurückgekehrt sei.
Frau Ruby war gewiß alles andere als eine Zim­merwirtin, der es nur um die Vermietung von Zimmern zu tun war. Sie repräsentierte das Haus, in das die Studenten eingezogen waren und hatte gewisse Erwartungen und Vorstellungen von Prie­steramtskandidaten, das zeigte auch ihre Reaktion auf meinen Entschluß, nicht ins münsterische Borromaeum[1] zurückzu­keh­ren.
Das Thema Karl Leisner sprach sie von sich aus nicht an. Wenn sie da­nach gefragt wurde, kam nichts „Spektakuläres“, aber auch nichts Persön­lich-Warmherziges, denn das hätte nicht zu ihr gepaßt, die sie – wie ihr Haus – einen eher nüchter­nen Eindruck auf mich machte.
Zusammenfassend habe ich sie als eine liebens­werte, aber auch nicht ganz einfache Frau in Erin­nerung, die sich ihrer Studenten annahm – mit all den damit verbundenen Vor- und Nachteilen. Ich glaube, daß sie einmal eine sehr hübsche Frau war, die es in der großen Familie frühzeitig gelernt hatte, Verantwortung für ihre Geschwister und den Haushalt zu tragen. Ich denke, mit einem geeigne­ten Partner wäre sie eine sehr liebevolle, gewiß auch strenge Mutter gewesen. Für mich steht außer Zweifel, daß sie auf ihre Art viel Gutes getan hat. Sie hatte ein waches Gespür, wo Not am Mann und Hilfe erforderlich war. Als ich vor etwa drei Jahren in Frei­burg/Br. war und an der Haustür schellte, öff­nete eine junge Frau aus einem süd­osteuropäischen Land. Ich erfuhr von ihr, daß Frau Ruby [am 25.12.1993] gestorben und auf dem Littenweiler Bergäckerfriedhof begra­ben sei.
[1] Das Theologenkonvikt der Erzdiözese Freiburg hieß ebenso wie in Münster Collegium Borro­mae­um, seit 2006 ist es mit dem Priesterseminar St. Peter im Schwarzwald fusio­niert.
Das Priesterseminar und das Collegium Bor­romaeum in Münster fusionierten 2005. Das Bi­schöfliche Priesterseminar Borromaeum befindet sich im ehemaligen Collegium Borromaeum in Münster am Domplatz 8.

Thomas Eschenbacher (heute Pfarrer in Hammelburg)
Ich habe 1986 und 1987 zwei Semester Theologie in Freiburg studiert und habe in dieser Zeit bei Frau Ruby gewohnt.
Ich war damals ein junger Student Anfang 20, kein Lebemensch, aber auch keiner, der sich hinter Büchern verkrochen hat.
Ich hatte ein kleines Zimmer im obersten Stock auf dem noch zwei Studenten wohnten.
Damals gab es noch keine Handys, so dass ich ins Erdgeschoss musste und um die Gnade bitten musste, ab und zu mal auf diesem Telefon zu telefonieren, was ich so selten wie möglich machte.
Mit im Haus hat damals noch der Bruder von Frau Ruby gewohnt ein emeritierter Professor, ein sehr wortkarger Zeitgenosse, der seine Schwester auch mehr als Dienstmagd wahrgenommen hatte.
Auf der einen Seite tat mir Frau Ruby leid, auf der anderen Seite konnte sie selbst sehr spitzzüngig und auch manchmal sehr unfreundlich sein, beosnders auch, wenn wir Studenten unser Zimmer nutzten, um auch mal einen Besucher – oder auch (besonderer Schrecken) DAMENBESUCH- zu empfangen.
Selbstverständlich nicht über Nacht, sondern am hellichten Tag.
Ich gehen davon aus, dass Frau Ruby als junge Frau wohl anders war als im Alter. Ich hatte damals schon immer wieder mal gespöttelt, dass es kein Wunder war, dass Karl Leisner sich anders entschieden hat.
Als ich Jahre später Frau Ruby im Würzburger Priesterseminar mal getroffen hatte, begrüßte sie mich mit den Worten: „Na, sind sie auch noch da?“
Nun ja, heute kann ich Frau Ruby antworten: „…und inzwischen bin ich seit 25 Jahren Priester!“
Für eine etwaige Heiligsprechung von Frau Ruby tauge ich nicht, das können Sie aus meinen Worten erkennen.
Karl Leisner ist mir in der Zeit damals (wo ich ich doch sogar im benachbarten Zimmer gewohnt habe) noch nicht ans Herz gewachsen. Erst viel später habe ich meine Seelenverwandtschaft zu ihm entdeckt:
Ich spiele leidenschaftlich gerne Gitarre, ich war ein leidenschaftlicher Jugendarbeiter und mit 30 Jahren hatte ich schon drei Lungenrisse, so etwas verbindet.
Das Haus der Familie Ruby war für mich damals keine Werbung für Karl Leisner, was ich heute sehr bedauere.

Pater Martin OSB aus dem Kloster (Monastère) Sainte-Marie de la Garde in Saint Pierre de Clairac/F am 14. Oktober 2018 an Hans-Karl Seeger :
Am 4. November 1937, seinem Namenstag, hält Karl in Händen die Antwort auf seinen Brief und notiert : «Das Erlebnis des Tages, der wundersam feine und tiefe Brief von Elisabeth. Ich staune! Beten soll ich ihr helfen, daß auch sie Entscheidung, Klarheit in ihrem Lebensziel bekommt. In der heiligen Stunde im Dom denke ich ihrer und aller Lieben in der weiten Welt. Ich hab‘ sie alle so lieb. Und der Herr soll sie doch alle, alle bewahren und segnen. Was ist doch dies Gefühl des Geheimnisvollen Leibes Christi groß und trostvoll und kräftig. Jetzt eins: Studium, Ordnung, Ruhe, geregelter Tagesablauf. »Auf der Rückseite einer Darstellung des heiligen Michael hatte Elisabeth folgendes geschrieben : «Das Reich der Welt und jede Zier der Zeit hab‘ ich verachtet um der Liebe Jesu Christi willen meines Herrn : gesehen hab‘ ich ihn und ihn geliebt und an ihn geglaubt, ihn mir erkoren.» Möge St. Michael Dir zum Ziele helfen.»

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« Das Reich der Welt… » ist ein Zitat aus dem alten Römischen Brevier, einem Wechselgesang « Repons » zur Matutin aus dem « Commune » für die hl. Frauen (8. Repons) Die Worten « Quem vidi, quem amavi, in quem credidi, quem dilexi » findet man auf dem Mund der hl. Agnes (Antiphon zur Vesper am 21. Januar).
Die hl. Gertrud zitiert diesen Wechselgesang « Das Reich der Welt… » in ihren Exerzitien (III, 303 und IV, 38). Sie erwähnt « Regnum mundi… » als eine Antiphon, wie sie bei ihrer Jungfrauenweihe gesungen wurde. Innerhalb der alten «  Jungfrauenweihe » , die bei unseren Benediktinerschwestern noch üblich ist, wird « Regnum mundi »  nach der Segnung des Ringes und des Kranzes noch gesungen.
Eine Frage, die mir eingefallen ist: Hätte Elisabeth eine Gelübde der Keuschheit persöhnlich abgelegt?

Antwort von Hans-Karl Seeger:

Ich glaube nicht, daß sie ein Keuschheitsgelübde abgelegt hat. Sie ist in keinen Orden gegangen, hat aber auch nicht geheiratet. Die Akten zur Seligsprechung (siehe Anlage) vermitteln den Eindruck, als sei Karl Leisner ein Mensch gewesen, den sie lediglich gekannt habe. Von Liebe ist dort keine Rede.

 

Elisabeth Ruby im Seligsprechungsprozeß für Karl Leisner

Seligsprechung (1)

 

Seligsprechungsakten
Übersetzung der in Deutsch geführten Vernehmungen ins Italienische:
Congregatio de Causis Sanctorum, P. N. 1332. Monasterien. Beatificationis seu declara­tionis martyrii servi dei CAROLI LEISNER in odium fidei, uti fertur, interfecti († 1945), Positio super martyrio Vol. I., Roma, Tipografia Guerra s. r. l., Piazza di Porta Maggiore, 2, 1995

Ergänzung

Das im Seligsprechungsprozeß von Elisabeth Ruby angegebene Datum 8. Dezember ist nicht korrekt. Zu dem Zeitpunkt bewohnte Karl Leisner noch sein Zimmer bei Familie Köbele in der Hansja­kobstraße 43; denn Weihnachten 1936 war er zunächst zu Gast bei Familie Ruby und hat anschließend mit seiner Schwester Maria in seinem Zimmer bei Familie Köbele Weihnachten gefeiert. Vermutlich hat er am 8. Dezember 1936 einen Besuch bei Familie Ruby gemacht und ist wahrscheinlich nach der Tagung in Schönstatt am 6. Januar 1937 zu Familie Joseph Ruby in die Neumattenstraße 18 gezogen. Dort hat er sich in die Tochter Elisabeth verliebt.
Die Aussagen im Seligsprechungsprozeß geben die Beziehung, die Karl Leisner und Elisabeth Ruby zueinander hatten, kaum wieder.

Heinrich Maria Janssen aus Hildesheim am 7. Januar 1974 an Josef Perau in Hülm:
Es wird Dir bekannt sein, daß Karl eine Zeit im Hause Ruby in Freiburg/ Br. gewesen ist und daß er eine Zeit daran gedacht hat, seine Theologie auf­zugeben und eine Tochter [Elisabeth] des Hauses Ruby zu heiraten. Ich möchte darum glauben, daß Elisabeth Ruby noch einiges hat, was für die Unter­lagen [zur Seligsprechung] für Karl von großer Bedeu­tung sein könnte. Ich habe Elisabeth Ruby bereits geschrieben, sie möge nach­schauen, was evtl. noch an Briefen u. a. von ihm da ist. Sie hat bis jetzt noch nicht ge­antwortet. Ich kann aber bei einem gelegentlichen Besuch dort noch einmal darauf eingehen und möchte auf solche Weise Euer Be­mühen [um die Seligsprechung] fördern.

Karl Leisners noch vorhandenen Tagebücher aus der Zeit in Freiburg, aber insbesondere die im Nachlaß vorhandenen Briefe, geben einen Einblick in sein Ringen um den Priesterberuf.

Siehe Aktuelles vom 21. Mai 2018 – Am 21. Mai vor 80 Jahren „verabschiedete“ sich Karl Leisner von Elisabeth Ruby.

Quelle der Fotos: Karl Leisner-Archiv und Gabriele Latzel